Was für ein Wetter für die Mittagspause: Der Himmel ist heute genauso blau wie der Arbeitsanzug von Azubi Martin Hahn. Der Elektroniker für Betriebstechnik, noch im zweiten Lehrjahr, hat vormittags mit seinem Vorarbeiter vor allem Dichtungen in einer Anlage des Chlorwerks von AkzoNobel in Bitterfeld ausgetauscht.
„Eine Arbeit, die sehr viel Sorgfalt erfordert – wie jeder Handgriff hier im Werk“,
sagt Martin Hahn, schließlich werden hier Chemikalien produziert.
Unzählige Komponenten im Blick
90 000 Tonnen Chlor kann das Werk im Jahr herstellen, zudem fallen Natronlauge und Wasserstoff als Produkte im Prozess an. Diese Rohstoffe werden durch die Chlor-Alkali-Elektrolyse, mit dem modernen und stromsparenden Membranverfahren, gewonnen. Trotzdem benötigt die hochkomplexe Anlage jährlich so viel Strom wie eine mittelgroße Stadt. Aber letztlich zahlt sich das aus, Chlor wird schließlich in 65 Prozent aller chemischen Prozesse gebraucht.
Und, na klar, so eine moderne Produktionsanlage hat unzählige elektrische und elektronisch gesteuerte Komponenten. „Motoren beispielsweise, Steuerungen, Messeinrichtungen, Sensoren, Ventile usw.“, zählt Martin Hahn nur einige wenige auf. Jede Menge zu tun für Elektroniker für Betriebstechnik, denn deren Aufgabe ist es, die elektrischen Betriebs-, Produktions- und Verfahrensanlagen zu installieren, zu warten und zu reparieren, „von den Schalt- und Steueranlagen über Anlagen der Energieversorgung bis hin zu Einrichtungen der Kommunikations- und Beleuchtungstechnik“, erklärt der gebürtige Bitterfelder. Die Lehrzeit beträgt 3,5 Jahre.
Fast wie Detektivarbeit
Das Spannende am Job:
„Wir laufen nicht den ganzen Tag mit dem Laptop durchs Werk, verbinden ihn mit der passenden Schnittstelle, lesen die Fehler aus und programmieren neu“,
so Martin Hahn. Die Tätigkeit sei eher Handwerk: hier eine Messeinrichtung nachstellen, da Stellschrauben nachziehen, einen Flansch abdichten, einen Motor reparieren. Die Arbeit sei abwechslungsreich, sehr vielseitig, kein Tag gleiche dem anderen. Zudem sei die Atmosphäre im Werk sehr kollegial; kurz: „Ich fühle mich hier wohl.“
Kein Wunder, Martin Hahn ist schon von klein auf technisch interessiert und begabt. Elektronik und Elektrik, ihre Logik, faszinierten ihn schon immer, deshalb wählte er im Fachgymnasium Bitterfeld auch die technische Richtung. Beispielsweise sei die Fehlersuche bei Gerätschaften
„salopp gesagt wie die Arbeit eines Detektivs: Wenn ein bestimmtes Teil, ein Schaltkreis ausfällt, kann man mit seinem Wissen schnell herausfinden, welche Ursache das hat.“
Ein ungeplanter Umweg
Allerdings: Noch vor zwei Jahren hat Martin Hahn nicht an die Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik gedacht. Da hat der heute 27-Jährige noch an der Hochschule Anhalt in Köthen (Sachsen-Anhalt) Biomedizinische Technik studiert, war kurz vor dem Ingenieurabschluss. Trotz bester Noten und mehr als 100 Bewerbungen bundesweit fand er kein Unternehmen für das zum Studium gehörende 6-monatige Betriebspraktikum. Es scheiterte am Geld, an einer angemessenen Bezahlung, um die sechs Monate in der Fremde auch finanzieren zu können.
„Ich verstehe das heute noch nicht“, sagt Martin Hahn, „überall wird vom Fachkräftemangel geredet, die Medizintechnikbranche boomt und dann so etwas.“ Die Gewinnung und möglichst langfristige Bindung junger Menschen sind für Stefan Kauerauf, Werkleiter von AkzoNobel in Bitterfeld, stets von großer Bedeutung. Zumal, wenn es um so engagierte Leute wie Martin Hahn geht. Nach einem kurzen Praktikum konnte der junge Mann gleich mit dem zweiten Lehrjahr in Bitterfeld einsteigen – und wird nun in der Chemie seinen Weg machen.