"Die Perspektiven. Heute braucht man einfach ein Studium, um weiter nach oben zu kommen."
Das sagt Esther Sauer. Die 25-Jährige arbeitet bei der Chemische Fabrik Budenheim KG als Chemielaborantin - und studiert seit 2011 Industrie-Chemie an der Hochschule Fresenius in Idstein. Damit ist sie Pionier. "Vorher gab es den Studiengang noch gar nicht, zumindest nicht neben dem Beruf", erzählt Esther.
An die Branche herangetastet hat sie sich auf dem Hildegardis-Gymnasium in Bingen. Zwar belegte sie die Leistungskurse Geschichte, Englisch und Biologie, aber bei Letzterem ging es auch in großem Umfang um Biochemie. Und der Chemie-Grundkurs, der immer interessanter wurde, tat sein Übriges.
Direkt nach der Schulzeit suchte Esther sich einen Ausbildungsplatz, ließ keinen Tag der offenen Tür bei den zahlreichen Chemiebetrieben in der Region aus und entschied sich für Budenheim.
Sie erinnert sich: "Die Geschäftsleitung hat bei der Zeugnisübergabe nach der Ausbildung gesagt, dass sie es sehr begrüßen würde, wenn man sich weiterbildet. Lebenslanges Lernen heißt es ja. Aber ich habe erst einmal ein Jahr Pause gemacht", erzählt die junge Frau - und meint: gearbeitet. "Pause vom Lernen", ergänzt sie.
Nach einem Jahr Pause vom Lernen ging es ans Studium
Im Rückblick muss ihr die tariflich geregelte 37,5-Stunden-Woche paradiesisch vorkommen, denn seit 2011 sind sechs Arbeitstage in der Woche Alltag: Von Montag bis Donnerstag wird die Wochenarbeitszeit abgeleistet, freitags und samstags dann studiert.
"Und damit, zur Uni zu gehen, ist es ja noch nicht getan", erklärt die 25-Jährige. Zehn der 30 Urlaubstage gehen für Klausurvorbereitungen drauf, der Rest wird zur Entspannung genutzt. "Ohne Erholung zwischendurch geht es einfach nicht", sagt Esther.
Und worum geht es nun im Studiengang Industrie-Chemie?
"Im Grunde mache ich dasselbe wie in der Ausbildung, nur sehr viel detaillierter und schneller, und natürlich kommen auch noch neue Inhalte dazu."
Zudem ist der Studiengang rein theoretisch angelegt, was Esther aber nicht viel ausmacht. An betrieblicher Praxis fehlt es ihr ja nicht. "Ich habe einen tollen Arbeitsplatz", sagt sie. Das ist auch der Hauptgrund, warum sie sich gegen ein Vollzeitstudium entschieden hat.Ein Drittel der Studiengebühren übernimmt Budenheim.
Mindestens ebenso wichtig ist für die Durchführung des Studiums, dass der Arbeitgeber sich sehr kooperativ zeigt, was die Arbeitszeit angeht. Eigentlich arbeitet Esther nicht nur in vier Tagen den fünften mit ab, sondern baut auch noch Überstunden für die Lernphasen auf. Viel Freizeit bleibt da nicht übrig. Aber es ist gut zu schaffen, wie der Zweierschnitt der 25-Jährigen beweist.
Chemie ist logisch
Ihre Zuneigung zur Chemie hat für Esther ganz praktische Gründe:
"Es ist mir nie schwergefallen und hat für mich immer einen Sinn ergeben. Es gibt Gesetze in der Chemie, die man gut auf den Alltag beziehen kann."
In der Abteilung Forschung und Entwicklung, in der sie arbeitet, entwickelt Esther gemeinsam mit ihren Kollegen beispielsweise antibakterielle Wirkstoffe, die an Griffen von Einkaufswagen zum Einsatz kommen könnten.
"Hier darf, kann und soll ich meine eigene Meinung einbringen", schwärmt sie von ihrem Job. Doch Esther hat sich noch höhere Ziele gesteckt, die sie mit Hilfe ihres Studiums zu erreichen hofft. "Ich möchte mehr Entscheidungsfreiheit", sagt sie, "und ich möchte ein Projekt komplett von A bis Z selbst bearbeiten." Und für dieses Ziel lohnt sich der Einsatz, wenn man, wie Esther, seine Leidenschaft für die Chemie entdeckt hat.