Lieber Herr Muth, Sie sind Ausbildungsreferent bei Boehringer Ingelheim. Können Sie die Teilzeit-Ausbildung kurz beschreiben?
"Die Teilzeit-Ausbildung ist eine ganz normale Ausbildung, bei der der Auszubildende oder die Auszubildende eine geringere Wochenarbeitszeit arbeitet. Teilzeit-Ausbildung gibt es ohne Verlängerung der Ausbildungsdauer, wenn man zwischen 25 und 30 Stunden arbeiten kann, und mit Verlängerung der Ausbildungsdauer um 6 Monate, wenn man nur zwischen 20 und 25 Stunden arbeiten kann. Wichtig ist, dass die Berufsschule immer komplett besucht werden muss. Hier ist eine Reduzierung nicht möglich."
Maren, du nutzt das Angebot der Teilzeit-Ausbildung. Am 1. September 2015 hast du die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement begonnen. Und du bist Mutter von zwei kleinen Kindern. Wie kamst du zu Boehringer Ingelheim?
"Über meinen vorherigen Arbeitgeber habe ich eine Zeit lang als Mitarbeiterin eines externen Dienstleisters bei Boehringer Ingelheim gearbeitet [Maren hat eine abgeschlossene Ausbildung als Fachinformatikerin und sich danach beruflich umorientiert]. Daher kannte ich das Unternehmen. Ich habe über ein Familienmitglied erfahren, dass Boehringer Ingelheim Teilzeit-Ausbildungen anbietet. Aufgrund meiner beiden Kinder ist dieses Ausbildungsmodell ideal. Der Kindergarten schließt täglich um 16:30 Uhr, daher sind meine Kinder bis Feierabend gut betreut. Sie sind auch der Grund, weshalb ich mich für eine Teilzeit-Ausbildung entschieden habe."
Wie unterscheidet sich dein Zeitmodell von einem der Vollzeit-Ausbildung?
"Zunächst einmal arbeite ich sechs Stunden am Tag – anders als die anderen Auszubildenden mit 7,5 Stunden. Natürlich bekomme ich dementsprechend auch 80 Prozent der Ausbildungsvergütung. Auch für die Pausen gibt es eine gesonderte Regelung. So muss ich beispielsweise für jede Pause ein- und ausstechen.
Zudem ist es gesetzlich geregelt, dass jeder Elternteil für die Betreuung des kranken Kindes zehn Arbeitstage im Jahr frei nehmen darf. Bei zwei Kindern verdoppelt sich die Anzahl der Krankheitstage. Die ausgefallene Zeit, in der ich dann nicht arbeiten gehen kann, zahlt die Krankenkasse. Ansonsten kann ich allerdings auch Überstunden abbauen oder meine normalen 30 Tage Urlaub im Jahr nehmen.
Die Ausbildungsdauer jedoch ist genauso lange wie die eines Vollzeit-Auszubildenden – je nachdem, ob ein Auszubildender seine Ausbildung verkürzt zwischen 2,5 und 3 Jahren. Dank der Gleitzeit hier kann ich um 08:30 Uhr meine Arbeit zu beginnen – aufgrund des Kindergartens, der erst um 07:30 Uhr öffnet, wäre es für mich nur schwer möglich, früher anzufangen."
Wie bringst du deine Familie und das Lernen für deine Ausbildung unter einen Hut?
"Herr Muth erwähnte ja bereits, dass ich im Berufsschulblock zu 100 Prozent anwesend sein muss. Ich fange direkt an zu lernen, wenn ich aus der Berufsschule nach Hause komme und dann wieder, wenn die Kinder im Bett sind. Um euch mal einen kurzen Einblick in meinen Alltag zu geben, kann ich euch gerne den typischen Ablauf eines „Nach-der-Berufsschule-Tages“ schildern:
Wenn die Berufsschule in Bingen um 13 Uhr endet, lerne ich bis circa 16 Uhr und hole meine Kinder anschließen vom Kindergarten ab. Wenn die beiden dann schlafen, was, wenn es gut läuft, meist so gegen 20 Uhr ist, lerne ich erneut. Wie lange ich dann noch über meinen Unterlagen sitze, ist ganz unterschiedlich – und natürlich auch unterrichtsabhängig.
Ich würde schon sagen, dass mein Ausbildungsmodell etwas stressiger ist als eine Ausbildung ohne Kinder – ich habe beides gesehen und kann sagen, dass meine Kinder trotz allem an erster Stelle stehen. Wenn eines der Kinder einmal erkrankt, bin ich durch ein gutes familiäres Netz abgesichert."
Du erfährst also auch außerhalb von Boehringer Ingelheim eine große Unterstützung, das klingt super. Hast du eine besondere Urlaubstage-Regelung, Maren?
"Nein, so etwas habe ich nicht. Ich habe wie die Vollzeit-Auszubildenden Anspruch auf 30 Urlaubstage pro Jahr."
Wie kommst du damit zurecht, dass die meisten der Auszubildenden deutlich jünger sind als du?
"Damit komme ich gut klar. Bereits bei der Einführungsphase der Ausbildung stand ich in gutem Kontakt zu meinen Mit-Auszubildenden – manchmal jedoch ist es auch wirklich amüsant. Bei unserem Berufseinführungsseminar fiel es besonders auf: Wir sollten uns in einem Kreis aufstellen und uns nach dem Alter sortieren. Die Jüngsten in meinem Jahrgang sind 1999 geboren; der „nächste“ Azubi zu mir war meiner Erinnerung nach Jahrgang 1992. Ich selbst bin 1985 geboren. Der Altersunterschied zu meinen Ausbildungsreferenten ist wahrscheinlich geringer, als der zu meinen Mit-Auszubildenden. :-)"
Herr Muth, wann hat Boehringer Ingelheim seine erste Teilzeit-Auszubildende oder seinen ersten Teilzeit-Auszubildenden aufgenommen? Und was ist das Ziel der Teilzeit-Ausbildung und wer „darf“ die Teilzeit-Ausbildung nutzen – wer bewirbt sich bevorzugt hierauf?
"Die erste Teilzeit-Auszubildende hat 2012 gestartet. Ziel ist es, Interessierten an einer Ausbildung, die die normale Wochenarbeitszeit des Betriebes aus privaten Gründen nicht abdecken können, dennoch eine Ausbildung zu ermöglichen.
Nutzen „darf“ die Teilzeit-Ausbildung prinzipiell jeder – jedoch nur, wenn von Seiten des Auszubildenden ein berechtigtes Interesse vorliegt, genehmigt die Industrie- und Handelskammer (IHK) eine Teilzeit-Ausbildung. Der Betrieb muss natürlich auch zustimmen.
In der Regel bewerben sich Mütter oder Väter, die neben der Kinderbetreuung noch eine Ausbildung machen möchten. Ein andere möglicher Grund wäre auch die Pflege eines Angehörigen."
Wie viele Teilzeit-Auszubildende hat Boehringer Ingelheim pro Jahrgang in etwa?
"Die Teilzeit-Ausbildung wird wenig nachgefragt, obwohl dies bei kaufmännischen Berufen, wie beispielsweise den Kaufleuten für Büromanagement gut in die Ausbildung integrierbar ist. Im Jahrgang 2015 gibt es in Ingelheim eine Kauffrau für Büromanagement. Davor gab es jedoch auch immer wieder Auszubildende mit eigenen Kindern, die aber die Ausbildung in Vollzeit absolviert haben. In Biberach wurde die letzte Teilzeit-Auszubildende mit einer tollen Prüfung in 2015 fertig. Darüber wurde intern sogar in unserer Werkszeitung, der Boehringer Ingelheim-Zeitung, berichtet."
Maren, hättest du Verbesserungsvorschläge für dieses Teilzeit-Ausbildungsmodell?
"Ich finde es so, wie es ist, klasse. Mir fällt momentan nichts ein, was man optimieren könnte.Ich würde es jederzeit wieder machen! Es ist eine super Möglichkeit, eine Ausbildung zu absolvieren, auch wenn man nicht die Zeit für eine Vollzeit-Ausbildung hat. Dank dieses Modells lassen sich Familie und Ausbildung gut miteinander verbinden."
"Die Teilzeit-Ausbildung ist eine super Möglichkeit, eine Ausbildung zu absolvieren, auch wenn man nicht die Zeit für eine Vollzeit-Ausbildung hat. Dank dieses Modells lassen sich Familie und Ausbildung gut miteinander verbinden."